Urban Mining: „Goldschmiede müssen mit ihren Kunden reden!

Urban Mining Edelmetall

Frau Cornelia Stretz ist Goldschmiedin, Schmuckdesignerin und Ausbilderin mit einer klaren Haltung zu Nachhaltigkeit in der Schmuckbranche. Nach ihrer Ausbildung an der Goldschmiedeschule und Studium an der Hochschule für Gestaltung in Pforzheim zog es Frau Stretz nach Berlin. Dort gründete sie ihr eigenes Atelier und begann parallel dazu als Ausbilderin für junge Goldschmied*innen im Ausbildungs- und Kulturcentrum e.V.. Schon damals galt ihr Interesse der Nachhaltigkeit bei der Schmuckherstellung. Heute ist, ihrer Meinung nach, die Zeit reif dafür, diese Thematik verstärkt beim Kunden zu fokussieren.

Frau Stretz, was bedeutet für Sie Nachhaltigkeit?

In erster Linie bedeutet Nachhaltigkeit für mich ein bewusster Umgang mit den Ressourcen, die wir zur Verfügung haben. Keine neuen zu fördern, sondern die zu verwenden, die bereits im Wertstoffkreislauf sind. Klar spielen dabei ökologische und soziologische Aspekte eine wichtige Rolle.

Sie sprechen direkt das Thema Urban Mining an. Dabei werden die vorhandenen Ressourcen, die bereits im Umlauf waren, wiederverwertet. In der Schmuckbranche ist dies Altgold oder edelmetallhaltiges Recyclingmaterial. Hatten Sie darüber schon Diskussionen mit Ihren Kunden?

Das Tolle beim Gold ist ja, dass durch das Recycling die Eigenschaften von Gold nicht verändert werden. Gold bleibt Gold… Mich fasziniert zum einen diese Tatsache, zum anderen auch die Gegebenheit, dass viele Geschichten in dem Altgold schlummern und das „kreative Gewand“ immer wieder von neuem entwickelt werden kann. Auch in dieser Hinsicht hat das mit Zukunft zu tun, dem steten Kreislauf!

Wie gehen Sie das Urban Mining in der Praxis an?

Als Schmuckdesignerin achte ich sehr darauf, woher ich mein Material beziehe. Als ich mit meinem Atelier gestartet habe, war es sehr schwer, zertifizierte Lieferanten zu finden. Heute hat man als Goldschmied in dieser Hinsicht wesentlich mehr Möglichkeiten. Mein Lieferant ist zertifiziert und ich habe bereits langjährigen Kontakt zu ihm. Ich gebe auch gerne meinen Kunden weiter, woher ich das Material beziehe und aus welchen Quellen es stammt und informiere über die Vorteile.

Der zweite Punkt ist für das Urban Mining meiner Meinung nach genauso wichtig wie der erste. Denn neben der Frage „Welches Material beziehe ich?“ sollte man sich unbedingt auch die Frage stellen „Wie führe ich das Material zurück in den Wertstoffkreislauf?“.

Dazu muss ich zum einen als Goldschmied*in immer sorgfältig arbeiten. Denn bei der Schmuckherstellung entsteht edelmetallhaltiger Abfall, so genanntes Scheidgut und/oder Gekrätz. Diesen sollte man unbedingt sammeln und das Edelmetall durch Recycling bei einer Gold- und Silberscheideanstalt wieder in Umlauf bringen. 

Und zum anderen liegen unheimlich viele Schätze bei unseren Kunden in den Schmuckkästen. Schmuckstücke, die sie nie tragen aber auch oft nicht loslassen können, weil Geschichten (nicht immer gute) darin ruhen. Man müsste die Menschen mehr dafür sensibilisieren, ungetragene Schmuckstücke zum Recyceln zu bringen. Es gibt natürlich auch Schmuckstücke, die z.B. geerbt sind und einen emotionalen Wert haben, vom Design jedoch nicht mehr tragbar sind. In diesem Fall schlage ich vor, das Schmuckstück anzupassen oder umzugestalten. Sensibilisiert mit den Kunden*innen darüber sprechen und ein neues Schmuckprojekt starten ist die Aufgabe. Ich persönlich nehme dies sehr ernst und finde stets individuelle Lösungen.

Mein Vasenschmuck trägt den Oberbegriff: „Blume schmückt Schmuck! Schmuck schmückt Mensch!“ Eine Huldigung an die Natur für ein respektvolles Miteinander…

Urban Mining, Cornelia Stretz Schmuck

Urban Mining, Cornelia Stretz Schmuck
Urban Mining, Cornelia Stretz Schmuck

Urban Mining und Kunde – wie bringt man das zusammen?

Tatsächlich ist es gar nicht so schwer, wie von vielen angenommen wird.

Goldschmiede machen jedoch oft die Erfahrung, dass die Kaufentscheidung vom Preis des Schmuckes abhängt und weniger davon, aus welchem Material das Schmuckstück hergestellt wurde. Das Thema Urban Mining spielt eine untergeordnete Rolle. Dabei können die Kunden auch finanziell davon profitieren. Wenn sie z.B. ihren Altschmuck beim Goldschmied ihres Vertrauens abgeben, kann der Wert des Edelmetalls mit dem Preis des neuen Schmuckstücks verrechnet werden und macht es somit erschwinglicher. Es ist nur eine Frage, WIE wir dies unseren Kunden kommunizieren. 

Ich bin der Meinung, dass sich die Zeiten gerade ändern. Wir müssen verstärkt mit unseren Kunden über dieses Thema reden! Die Wende geschieht aktuell in den Köpfen der Menschen in allen Bereichen, von der Plastikvermeidung bis zum Reiseverhalten. Dabei spielt doch auch eine Rolle, welchen Schmuck man trägt. Und nur in Gesprächen mit unseren Kunden können wir sie für dieses Thema sensibilisieren! Natürlich darf man nicht erwarten, dass alle Kunden dieses Thema offen aufnehmen. Doch man sollte immer wieder nach Anhaltspunkten suchen.

Welchen Benefit hat man als Goldschmied eigentlich davon?

Neben dem reinen Gewissen nachhaltig zu wirtschaften, ist wahrscheinlich ein weiterer Benefit, dass man dadurch mit seinen Kunden über wichtige Dinge kommunizieren kann. Denn gerade bei uns Goldschmieden ist es unabdingbar, mit unseren Kunden im Austausch zu sein, um als klassisches Ladengeschäft (in meinem Fall im Unikatbereich) Benefits zu bieten und gegenüber dem Onlinehandel wettbewerbsfähig zu bleiben.

Mir liegt dieses Thema sehr am Herzen, deshalb greife ich dies auch gerne bei meiner Lehrtätigkeit am Ausbildungs- und Kulturcentrum mit den Auszubildenden Goldschmied*innen auf.

Neben Ihrer Selbstständigkeit als Schmuckdesignerin bilden Sie auch junge Goldschmiedinnen aus. Was motiviert Sie dazu?

Meine Tätigkeit als Ausbilderin ist mir eine Herzenssache. Wir bilden junge Frauen aus, die aufgrund von unterschiedlichen Gegebenheiten nicht die Chancen hatten, eine klassische Ausbildung in einer Goldschmiedewerkstatt zu machen. Der AKC e.V. ist eine außerbetriebliche Bildungseinrichtung. Die Lehrtätigkeit ist nicht immer einfach, da man stets als Motivator fungieren muss. Doch es macht immer wieder Freude zu sehen, wie sich die Auszubildenden verändern, wie sie selbstbewusster und selbständiger werden. Es freut mich ebenfalls sehr, dass die meisten von ihnen nach einem erfolgreichen Abschluss als Goldschmiedinnen arbeiten. Und hoffentlich auch die Sensibilisierung für mehr Nachhaltigkeit mitnehmen!

Beispiele von Schmuckstücken unserer AKC-Auszubildenden

Urban Mining,  AKC e.V.

 AKC e.V.

 AKC e.V.

Die aktuellen Bewegungen wie „Fridays for Future“ zeigen, wie sich gerade die junge Generation gegen den globalen Klimawandel einsetzt. Ich glaube, dass dies unsere Gesellschaft nachhaltig prägen wird.

Außerdem finde ich es wunderbar und bereichernd, dass zunehmend auch die Industrie dieses Thema fokussiert. So war ich sehr erfreut, dass mein Lieferant C.HAFNER seine Goldaufarbeitung komplett CO2-neutral stellt. Es sollte ein Zusammenspiel aller Akteure sein, damit Urban Mining auch den Schmuckmarkt durchdringen kann.   

Vielen herzlichen Dank, Frau Stretz, für das offene und interessante Gespräch!

Mehr über Frau Cornelia Stretz erfahren Sie unter: www.co-sign.de/

Urban Mining und CO2 neutrale Goldgewinnung ist zukunftweisend für die Schmuckbranche. Deshalb greifen wir dieses Thema im Edelmetall Blog verstärkt auf. Im nächsten Blogbeitrag stellen wir die Initiative „World Gold Day“ vor. Sie dürfen gespannt sein!