Schmuckvertrieb über Messen: Im Interview mit Antje Liebscher

Schmuck Vertrieb Messen

Als Fortsetzung unserer Beitragsserie „Schmuckvertrieb“ führen wir diesmal ein Interview mit der Schmuckdesignerin Antje Liebscher zum Thema „Vertrieb über Messen“.

Antje Liebscher ist eine bekannte Goldschmiedin und Schmuckdesignerin mit eigener Galerie in der Innenstadt von Speyer. Ihr edler Echtschmuck in Serie begeistert durch ungewöhnliche Formen und Kreativität, welche ihre Schmuckkollektionen einzigartig und wiedererkennbar machen. Jährliche Messe-Auftritte sind feste Bestandteile in ihrem Vertrieb. Vor diesem Hintergrund ist Antje Liebscher die perfekte Interviewpartnerin, wenn es um Fragen rund um den Vertrieb über Messen geht, wie z.B.: Ist ein Messe-Auftritt für Goldschmiede ein Muss? Welche Unterschiede gibt es bei den Messen? Welchen Stellenwert haben Messen heute vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie? Alles Wissenswerte erfahren Sie hier im Interview.

Frau Liebscher, Sie sind seit 2001 auf der „Inhorgenta“, der internationalen Fachmesse für Schmuck in München vertreten. Abzüglich des coronabedingt Ausfalls der Messe im letzten Jahr sind dies nun bereits 20 Jahre! Was bedeutet dieser Messeauftritt für Sie?

Die Inhorgenta ist aktuell die wichtigste Plattform, auf der ich mich sehr gerne bewege: Ich stelle dort aus und bin zugleich als Besucher unterwegs. Zuvor müsste man erwähnen, dass ich eine Designkollektion aus Edelmetall in Kleinserie produziere und mit vielen Fachhändlern kooperiere. Somit ist mein Vertrieb sehr stark auf Kooperationspartner ausgerichtet. Zudem betreibe ich seit 2013 in Speyer eine Galerie für modernen Schmuck, wo ich nicht nur meine Stücke, sondern auch bekannte Schmuckdesigner ausstelle. Die meisten dieser Künstler/-innen habe ich auf den Fachmessen kennengelernt. Aus diesem Grund bin ich auf den Messen immer auch auf der Suche nach kreativen Schmuckdesignern und außergewöhnlichen Schmuckkreationen für meine Galerie.

Für mich persönlich sind die Kontakte und Gespräche, die auf einer Fachmesse entstehen, sehr wertvoll. An keinem anderen Ort kann man innerhalb kürzester Zeit mit so vielen Partnern und neuen Interessenten zusammenkommen.

Also ist ein Messe-Auftritt ein Must-Have für Schmuckschaffende?

Nein, es ist wichtig bei dieser Frage zu unterscheiden: Mache ich individuellen Schmuck in enger Zusammenarbeit mit meinen End-Kunden? Oder habe ich Schmuck, welchen Schmuckhändler verkaufen können. Hier ist die Lieferzeit, wie auch der Preis für den Endkunden, entscheidend. Beide Wege haben ihre Vorteile und Nachteile. Aber meistens treffen Goldschmiede diese Vertriebsentscheidung, noch bevor sie sich selbständig machen.

Für Goldschmiede mit sehr individuellem Schmuck ist eine Fachmesse wie die Inhorgenta eher ungeeignet. Man muss bedenken, dass der Fachhändler die Verkaufsgespräche führt und somit der Schmuck tragbar und selbstverständlich sein sollte. Hier würde ich Endverbraucher-Messen, wie z.B. die Blickfang präferieren. Auf diese Weise kommt man in einen direkten Kontakt mit bestehenden oder interessierten End-Kunden, die eine individuelle Betreuung durch den Schmuckkünstler wünschen. 

Fachmessen sind hingegen sehr viel besser für Goldschmiede mit Echtschmuck in Serie geeignet. Erfahrungsgemäß sind auf den Fachmessen Fachhändler, Galeristen und Wiederverkäufer gezielt auf der Suche nach neuen Schmuckkollektionen für ihr Sortiment. Die Wahrscheinlichkeit, neue Partner zu finden, ist auf einer Fachmesse immens hoch. Auch vor dem Hintergrund, dass Kaltakquise über Türgeschäfte mit Vertriebspartnern heute nicht mehr so funktionieren wie früher, sind Messen immer noch ein fester und wichtiger Bestandteil des Vertriebes.    

Nach zwei Jahren Corona-Pandemie und dem Ausfall einiger Messen steht manch einer vor der Frage, wie es mit Messeauftritten weitergehen soll. Haben Sie sich diese Frage auch gestellt? Und wie sehen Sie die zukünftige Tendenz? 

Am Anfang der Corona-Pandemie herrschte generell eine große Unsicherheit. Man stellte sich die Frage, wie sollen wir hier jemals wieder rauskommen. Zugleich löste der Lockdown vor Weihnachten einen immensen Einbruch, nicht nur aus wirtschaftlicher, sondern auch persönlicher Sicht, aus. Viele Goldschmiede standen gar vor der Frage, ob sie überhaut mit ihrer Tätigkeit weitermachen können.

Dieses Jahr freuen wir uns, wieder nach vorne schauen zu können und auch wieder auf Messen zu gehen. Speziell im Schmuckbereich kann keine virtuelle Messe oder digitaler Shop diesen persönlichen und emotionalen Austausch und diese Begegnungen ersetzen. Denn: Schmuck muss man präsent erleben.

Außerdem genieße ich immer das Rahmenprogramm rund um die Messe, sei es in Form von Vorträgen oder Events nach der Messe. Man kommt mit Menschen auf einer persönlicheren Ebene ins Gespräch und lernt sich so auch besser kennen.

Der einzige Rückgang, welcher mir auch schon vor der Pandemie aufgefallen ist, sind die immer weniger werdenden internationalen Besucher. Diese Internationalität war noch deutlich vor der Wirtschaftskrise im Jahr 2008 zu spüren. Leider nimmt es seither immer weiter ab.

In Rückblick auf den erfolgreichen Inhorgenta-Messe Auftritt und Vorfreude auf die Inova mit einem eigenen Stand im nächsten Jahr, bin ich der Meinung, dass die Pandemie sich nur kurzzeitig auf die Messen ausgewirkt hat und Messen weiterhin einen wichtigen Stellenwert im Schmuckbereich haben werden.  

Und wie sucht man sich die perfekte Messe zum Ausstellen aus?

Es kommt immer darauf an, welches Budget man zur Verfügung hat und welches Ziel man damit verfolgt. Ich würde Goldschmieden mit individuellem Schmuck immer raten, eine Endverbraucher-Messe im regionalen Umkreis auszusuchen. So haben die Kunden später keine längere Anfahrt zum Atelier oder Store.

Für Goldschmiede mit Serienschmuck ist es dagegen durchaus sinnvoll, auf überregionalen Messen wie der Inhorgenta oder Inova auszustellen, um auch mit Partnern aus anderen Regionen oder Ländern in Kontakt zu kommen. Und den Schmuck überregional oder international zu verkaufen.

Doch es gibt auch Unterschiede zwischen den Messen. Die Inova ist zum Beispiel zwar viel kleiner als die Inhorgenta, dafür aber günstiger für Aussteller und übersichtlicher für den Einkäufer.

Eigentlich kann ich nur den Tipp geben, besuchen Sie die Messe vorher, schauen Sie sich alles an und stellen Sie sich selbst die Frage, passt mein Stand zu dieser Messe oder nicht. So lässt sich die Entscheidung am besten treffen.

Einen herzlichen Dank für dieses informative Gespräch, Frau Liebscher!

Weitere Information über Antje Liebscher erfahren Sie unter: https://antje-liebscher.com/