Konflikt um Ukraine treibt Palladiumpreis an

Die Automobilproduktion läuft aufgrund der globalen Chipknappheit weiterhin nur gedrosselt, so dass auch der Palladiumbedarf momentan ausgebremst wird. Aber die Sorge vor einer Eskalation des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine führte in den letzten Wochen zu einer steigenden Risikoprämie auf den Palladiumpreis.

Für den Verlauf der Palladiumnotierungen sind oftmals sehr spezielle Nachrichten entscheidend, die außerhalb der Edelmetallbranche kaum auf Interesse stoßen. In den letzten Wochen war das exakte Gegenteil zu beobachten, denn die weltweit wichtigsten Nachrichten standen im Mittelpunkt des Marktgeschehens. Zunächst drückten die befürchteten Auswirkungen der absehbaren Verbreitung des Omikron-Variante des Corona-Virus den Preis Ende November und in der ersten Dezemberhälfte von 61 Euro je Gramm auf 46 Euro je Gramm. Das war der tiefste Stand seit dem Beginn der Corona-Krise im Frühjahr 2020. Erklären lässt sich die Verbilligung mit damaligen Furcht vor noch größeren Produktionsausfällen in der Automobilindustrie, wo Palladium als Rohstoff für Abgaskatalysatoren benötigt wird. Allerdings waren die Sorgen übertrieben, und im Januar stieg die Produktion von Personenkraftwagen beispielsweise in Deutschland sogar leicht an.

Zwischenzeitlich beherrscht aber der Konflikt um die Ukraine die Schlagzeilen der Presse, und dieser könnte auch die Verfügbarkeit von Palladium beeinflussen. Wenn es zu einem offenen Krieg zwischen Russland und der Ukraine käme, dann würden die westlichen Industriestaaten wahrscheinlich mit umfassenden Sanktionen gegen russische Unternehmen und möglicherweise auch gegen Öl- und Erdgasexporte reagieren. Sicherlich würde niemand im Westen die Einfuhr von Palladium aus Russland verbieten wollen, denn damit würde der eigenen Industrie Schaden zugefügt werden. Immerhin steht Russland für rund 45 % der weltweiten Palladiumförderung, und der Westen ist deshalb dringend auf russisches Edelmetall angewiesen. Es ist aber ebenso wahrscheinlich, dass Russland als Vergeltung für Sanktionen die Ausfuhr wichtiger Rohstoffe wie Palladium unterbrechen wird. Der Anstieg des Preises auf fast 70 Euro je Gramm ist deshalb eine teilweise Vorwegnahme von möglichen Angebotsengpässen.

Sollte der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine eskalieren, dann ist mit einer Fortsetzung der Verteuerung von Palladium zu rechnen. Eine friedliche Beilegung des Streits mit einem Abzug des Militärs aus der Grenzregion hätte dagegen das Potenzial, den Risikoaufschlag wieder abzubauen. Welches der beiden Szenarien eintritt, kann momentan vermutlich aber kaum jemand sicher vorhersagen, und viele Aspekte der Krise sind für Beobachter an den Finanzmärkten ohnehin undurchschaubar. Die Beteuerungen der USA und anderer westlichen Staaten, in einen etwaigen Krieg nicht einzugreifen, führten in den letzten Tagen aber immerhin zu einer Stabilisierung der Notierungen.

Von Dr. Thorsten Proettel

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