Die aktuell hohe Inflation lässt Goldanlagen sehr attraktiv erscheinen, denn Geld auf Bankkonten verliert seine Kaufkraft schneller als sonst. In den kommenden Wintermonaten dürfte außerdem wieder die Corona-Pandemie die Konjunktur beeinträchtigen. Der für das kommende Frühjahr erwartete Rückgang der Inflationsraten und mögliche Leitzinserhöhungen der Notenbanken dürften die Verteuerung des Goldes zukünftig aber bremsen.
Seit der Veröffentlichung des letzten Fokus Edelmetall Anfang September verteuerte sich Gold von knapp 49 Euro je Gramm auf mehr als 52 Euro je Gramm. Dies ist immerhin der höchste Stand seit mehr als einem Jahr. Der Preisanstieg des Edelmetalls fand vor allem Anfang November statt, und eine wichtige Ursache hierfür war die Veröffentlichung neuer Inflationsdaten aus den USA. Nachdem sich die Inflationsrate dort bereits fünf Monate in Folge über dem Niveau von 5,0 % bewegte, kletterte sie im Oktober auf 6,2 % und damit auf den höchsten Stand seit 30 Jahren. In Europa fallen die Zahlen etwas geringer aus, aber auch hier wurden zuletzt mehrjährige Höchststände erreicht, beispielsweise 4,5 % in Deutschland, 3,2 % in Frankreich und nach vorläufigen Angaben 6,8 % in Polen.

Hohe Inflation bedeutet einen beschleunigten Wertverlust von Geldvermögen auf Konten, die üblicherweise seit Jahren nur schlecht verzinst werden, oder für die sogar ein Negativzins zu bezahlen ist. Vor diesem Hintergrund ist es keine Überraschung, dass die Anlagenachfrage nach physischem Gold aktuell vergleichsweise hoch ist. Nach Angaben des World Gold Councils stieg der weltweite Absatz von Barren und Münzen im 3. Quartal auf 262 Tonnen an, womit der Vergleichswert aus dem Vorjahresquartal um 18 % übertroffen wurde.
Allgemein wurde die Entwicklung des Goldes in den letzten Jahren sehr stark von den Realrenditen beeinflusst, also der Rendite von Staatsanleihen mit langer Laufzeit abzüglich der aktuellen Inflationsrate. In der nachfolgenden Grafik lässt sich dieser Zusammenhang gut erkennen. Dort sind der Goldpreis in US-Dollar je Feinunze und die Realrendite für die USA abgebildet, wobei die rechte Skala invertiert ist, also auf dem Kopf steht. Da die Inflationsrate zuletzt 6,2 % betrug, führen Staatsanleihen mit 10-jähriger Laufzeit und einer Rendite von etwa 1,55 % zu einer Realrendite von minus 4,75 %. Auf diesem Niveau müsste der Goldpreis eigentlich rund 2.200 US-Dollar je Feinunze beziehungsweise etwa 61 Euro je Gramm betragen.

Dass der Goldpreis tatsächlich niedriger ist, lässt sich mit verschiedenen Argumenten begründen. Die Realrendite stellt nur einen sehr groben Richtwert für den Goldpreis dar. Größere Abweichungen fanden in den letzten Jahren immer wieder statt. Außerdem wird an den Finanzmärkten mit einem Rückgang der Inflationsraten spätestens im Frühjahr 2022 gerechnet, womit sich dann auch die Realrendite wieder von den extremen Minuswerten entfernen würde. Außerdem haben sich Investoren von physisch besicherten Goldfonds in den letzten Wochen erneut in größerem Umfang von ihren Wertpapieren getrennt, so dass viel Edelmetall aus den Tresoren der Emittenten auf den Markt gekommen ist. Und darüber hinaus macht der hohe Preis die Goldförderung attraktiv. Sie erreichte im letzten Quartal nach Angaben des World Gold Councils mit rund 960 Tonnen einen neuen Rekordwert und liegt damit etwa 25 % über dem Niveau von vor zehn Jahren.
In den kommenden Wintermonaten könnte der Goldpreis dennoch etwa zulegen, da die Inflation vorerst hoch bleiben und die Corona-Pandemie die Konjunktur beeinträchtigen dürfte. Wenn sich die Situation voraussichtlich im Frühjahr entspannt und die Inflation etwa nachlässt, dann könnte auch der Gegenwind für den Goldpreis größer werden. Dies gilt vor allem dann, wenn die US-amerikanische Notenbank schneller als bislang gedacht ihren Leitzins anheben sollte.
Lesen Sie jetzt die ganze aktuelle Fokus Edelmetall Ausgabe von Dr. Thorsten Proettel. Hier finden Sie weitere Themen:
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