Mit der Entscheidung der Briten gegen eine weitere Mitgliedschaft in der EU, ist tatsächlich das völlig Unerwartete eingetreten. Aktuell scheint es als seien die Briten selbst von Ihrer Wahl am meisten erschrocken.
Nach ersten Hochrechnungen am späten Donnerstagabend deutete noch alles auf einen Verbleib in der Europäischen Union hin. Als Europa am Freitag erwachte, war die Überraschung umso größer als das vorläufige Endergebnis feststand. An den Finanzmärkten folgte das größte Beben seit der Lehman-Brothers-Pleite in 2008. Der Goldpreis stieg über Nacht um mehr als 3,00 EUR/g und bewegt sich seither sehr volatil in einem Bereich zwischen 37,50 EUR/g und 39,50 EUR/g. Ein großer Verlierer des „Börsenspektakels“ war das britische Pfund, welches aktuell schwächer als niemals zuvor in den letzten 30 Jahren notiert ist.
Soweit der Status Quo! Viel interessanter ist jedoch zu beleuchten, wo die Reise in den nächsten Monaten bei den Märkten allgemein und insbesondere beim Gold hingehen könnte.
Eine Woche nach dem Referendum vermag noch niemand abzusehen wie das Austrittsverfahren abläuft und vor allem über welchen Zeitraum. Selbst eine erneute Abstimmung wird von vielen Briten gefordert.
Genau diese Unsicherheit stützt aktuell den Goldpreis, das Metall spielt einmal mehr seine Eigenschaft als sicherer Hafen aus.
In den nächsten Monaten und eventuell Jahren wird sich nun zeigen, welche Auswirkungen der Brexit tatsächlich nach sich zieht. In den Medien werden zahlreiche Unternehmen genannt, besonders aus der Finanzbranche, die planen sollen Ihre Europazentralen aus London abzuziehen. Angeblich sind in der Finanzmetropole London bis zu 80.000 Arbeitsplätze bedroht. Die großen Ratingagenturen haben das Vereinigte Königreich bereits herabgestuft, die Refinanzierung für Großbritannien wird in Zukunft somit ein wenig teurer werden. Die Risiken und Unwägbarkeiten, denen sich Großbritannien in den nächsten Jahren stellen muss, könnten an dieser Stelle noch unbegrenzt fortgeführt werden.
Nahezu unberücksichtigt von den Medien bleibt die Tatsache, dass der Austritt der Briten durchaus auch Chancen mit sich bringt. Als Nettozahler in die EU-Töpfe können künftig jährlich bis zu fünf Milliarden EUR eingespart werden, politisch kann ohne den mächtigen EU-Apparat deutlich flexibler agiert werden und durch bilaterale Verträge können die Handelsbeziehungen zu EU-Staaten auch weiterhin aufrecht erhalten werden. Sowohl die EU als auch Großbritannien können nach einem Austritt kein Interesse an einer Abschwächung der Handelsaktivitäten haben.
Die Chancen bleiben auch von der Politik gänzlich unerwähnt, da um jeden Preis verhindert werden soll, dass weitere Länder über einen Austritt nachdenken könnten. Es käme schnell zu einem Flächenbrand und die europäischen Errungenschaften von sieben Jahrzehnten Nachkriegszeit wären dahin.
Hieran erkennt man, dass wirklich niemand abschätzen kann, was auf uns und besonders die Briten zukommen wird. Selbst ein positiv verlaufender „Brexit“ könnte durch „Nachahmungstäter“ Europa in Schwierigkeiten bringen.
Kommen wir zurück zum Gold. Seit der Hochphase der Finanzkrise hatten wir nicht mehr soviel Unsicherheit in den Märkten. Wir sehen Gold daher kurzfristig weiter auf sehr hohem Niveau allerdings mit sehr hoher Volatilität. Hierdurch werden sich immer wieder Chancen ergeben Gold zu einem etwas günstigeren Preis zu erwerben. Mittel- und langfristig sehen wir den Preis wieder jenseits der 40,00 EUR/g.
Über weitere Entwicklungen im Edelmetall Markt erfahren Sie im Fokus Edelmetall.
Ihr
Torsten Schlindwein