Gold – Der Goldstrom hat sich gedreht!

Goldstrom hat sich gedreht

Die alte Weisheit „Gold reist nicht gerne“ kann man guten Gewissens als überholt betrachten. Man muss sich nur die Im- und Exportstatistiken der Schweiz anschauen, um zu erkennen, das monatlich durchschnittlich 200 Tonnen Gold sowohl ein- als auch ausgeführt werden. Da in der Schweiz etwa dreiviertel der weltweiten Mengen gehandelt und verarbeitet werden, kann man von diesen Zahlen bequem ablesen, wohin die weltweiten Goldströme fließen und woher diese kommen.

In den letzten fünf Jahren gab es nur eine Richtung. In den industrialisierten Gegenden, besonders Europa und Amerika wurden große Mengen Altgold eingesammelt und nach Asien, allen voran China und Indien, verkauft. Der Hunger der beiden aufstrebenden Großmächte nach dem goldenen Metall war nahezu unersättlich, die Nachfrage teilweise so hoch, dass stattliche Aufschläge auf die Goldnotierungen gezahlt wurden. In Indien führten unter anderem diese Einfuhren zu einem gewaltigen Außenhandelsdefizit, so dass sich die Regierung gezwungen sah, durch Zölle die Mengen deutlich einzudämmen.

In China gab es zuletzt immer mehr Anzeichen auf eine abkühlende Konjunktur, worauf auch dort die Nachfrage nach Gold deutlich einbrach.

Man könnte nun annehmen nach dem Wegfall der größten Nachfrager bricht der Goldkurs ein, da ein Angebotsüberhang entsteht. Wie man der Überschrift bereits entnehmen kann, ist der Goldstrom nicht etwa versiegt, sondern hat einfach die Richtung gewechselt. Im laufenden Jahr konnten die ETC´s (Exchange Traded Commodities), mit Gold hinterlegte Fonds, deutliche Zuflüsse erringen. Ein großer Teil des hinterlegten Metalls wird in Tresoren in London gelagert, wodurch die aktuell enormen Zuflüsse nach Großbritannien zu erklären sind. Im Juli flossen beispielsweise 80 Tonnen Gold aus der Schweiz nach Großbritannien. Nach Deutschland im selben Zeitraum lediglich zwei Tonnen.

Die Schweiz bezieht aktuell einen großen Teil seiner Lieferungen aus den Arabischen Emiraten, wo mittlerweile ebenfalls ein großer „Gold-Hub“ entstanden ist und Gold aus Asien, Afrika und Europa gehandelt wird.

Die erhöhte Nachfrage aus London kann die Enthaltsamkeit Asiens allerdings nicht komplett ausgleichen. Als Resultat sind die Lager der europäischen Banken und Scheideanstalten voll. Viele sind nur noch bereit physisches Material gegen Abschläge anzunehmen, andere nehmen gar kein Gold mehr an. Sollte sich dies weiter verschärfen, kann dies durchaus negative Auswirkungen auf den Kursverlauf und die Kursstellung haben.

Für einen Paukenschlag sorgte zuletzt der Börsenbetreiber London Metal Exchange (LME). Lag der Fokus bisher ausschließlich auf Basismetallen wie Kupfer oder Aluminium, plant man nun den Einstieg in die Welt der Edelmetalle.

Bereits 2017 sollen in Zusammenarbeit mit dem World Gold Council Termingeschäfte für Gold und Silber angeboten werden. Dies soll für mehr Transparenz und Liquidität im Londoner Goldmarkt sorgen.

Die britische Hauptstadt steht immer mehr in Konkurrenz zu anderen globalen Goldhandelszentren, allen voran der aufstrebenden Goldbörse in Shanghai. Dies ist sicher auch ein Versuch den Status als führender Handelsplatz zu wahren.

Warum die LME allerdings in Konkurrenz zur etablierten LBMA (London Bullion Market Association) tritt, anstatt die in London vorhandenen Stärken zu bündeln, bleibt ein Rätsel. Wir werden dieses Thema weiter beobachten, erwarten allerdings vorerst keine spürbaren Auswirkungen auf die Goldnotierungen.

Für die letzten vier Monate des Jahres erwarten wir durchaus spannende Zeiten. Nachdem zuletzt viele Marktteilnehmer in den Ferien weilten und daher die Umsätze niedrig waren, sollte nun wieder mehr Bewegung in den Markt kommen. Neben wirtschaftspolitischen Themen wird interessant sein, ob die asiatischen Länder wieder vermehrt kaufen werden. Mittelfristig sehen wir die Kurse durchaus wieder im Bereich 40,00 EUR/g.

Ihr
Torsten Schlindwein