Trotz der Bemühungen Chinas, kann London weiterhin als Weltgoldhauptstadt bezeichnet werden. Was würde nun der sogenannte „Brexit“, der Austritt Großbritanniens aus der EU, für London, aber vor allem für den Goldpreis bedeuten?
Ökonomen zufolge hätte ein Austritt der Briten gravierende Folgen für die britische Wirtschaft, allerdings auch für den Rest der EU, insbesondere Deutschland. Der Kreditversicherer Euler-Hermes erwartet für deutsche Exporteure einen Verlust von über 6 Mrd. EUR.
Nun schaut ganz Europa am 23. Juni auf das Votum der britischen Bevölkerung. Nachdem die Mehrheit in den letzten Wochen noch gegen einen Austritt war, zeichnet sich in den letzten Tagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab. Im Gleichschritt zu den Umfragen verlor das Britische Pfund vor allem gegen den US-Dollar. Das Vertrauen in die eigene Währung schwindet zunehmend, da die Folgen eines Austrittes in Gänze nur schwierig abzuschätzen sind. Genau diese Unsicherheit bringt nun das Gold wieder in den Blickpunkt. Wie an dieser Stelle bereits mehrfach erwähnt, steigt die Nachfrage nach dem Edelmetall besonders in unsicheren Zeiten. Bereits in den letzten Wochen konnten wir eine ansteigende Nachfrage nach Barren und Münzen in Großbritannien vernehmen. Noch spiegelt sich das nicht in den Goldkursen wieder. Die britische Großbank HSBC prognostiziert jedoch bei einem „Brexit“ deutliche Kurssteigerungen für Gold.
Wir erwarten die Auswirkungen auf den Goldpreis und die Goldhauptstadt London eher als moderat. Sollte die Bevölkerung tatsächlich gegen die EU stimmen, sehen wir kurzzeitig etwas Potential nach oben. Langfristige Auswirkungen wird es nicht geben, da andere Themen weitaus mehr Einfluss auf den Goldpreis haben werden.
Auch für London sollten die Folgen überschaubar sein, da bereits heute der mit Abstand größte Teil der Goldgeschäfte mit Nicht-EU-Ländern abgewickelt wird, allen voran der Schweiz, China und Indien. Abschließend ist zu sagen, dass die Goldbranche sicher mit einem Auge den 23. Juni im Blick haben sollte, einen Grund zur Panik gibt es aber keinesfalls.
Weit mehr Auswirkungen auf den Goldpreis sollte in Zukunft das Wiedererstarken der Ölnotierungen haben. Seit mehr als drei Jahren versucht EZB-Chef Mario Draghi mit aller Macht seines Amtes, sein wichtigstes Ziel zu erreichen. Die europäische Zentralbank hat die zentrale Aufgabe die Inflationsrate bei etwa 2,0 Prozent zu halten. Trotz gewagter Aussagen Draghis und dem mehrfachen Anwerfen der Notenpresse schwächte sich das Preisniveau immer weiter ab und lag zuletzt im Bereich von null. Nun bekommt Draghi Unterstützung vom Ölpreis und es scheint als könne er seine Ziele schneller erreichen als vor kurzem noch gedacht. Durch den sogenannten „Basiseffekt“, (Niedriger Ölpreis als Basis im Januar 2016), könnten Anfang kommenden Jahres die Inflationsraten komplett anders aussehen als noch heute. Sollten die Ölpreise bis zum ersten Quartal 2017 auf dem jetzigen Niveau verharren, wird eine Inflationsrate von etwa 1,7 Prozent erwartet. Interessant wird es jedoch wenn der Ölpreis weiter steigt. Bei Ölpreisen von 80 EUR zu Beginn des kommenden Jahres wären Teuerungsraten von etwa vier Prozent möglich, ein Niveau welches wir in Deutschland letztmals vor etwa 25 Jahren hatten. Nicht nur „Euroland“ wäre hier betroffen, weltweit wären steigende Inflationsraten zu erwarten. Für Länder mit bereits hohen Raten, könnte dies massive Probleme bedeuten. Für den Goldpreis hätte dies mit hoher Wahrscheinlichkeit steigende Notierungen zur Folge, da Gold seiner Eigenschaft als Inflationsschutz gerecht würde. Mittelfristig sehen wir Gold eher seitwärts im Bereich von 34,50 EUR bis 36,50 EUR, zum Ende des Jahres sind aber weiter steigende Kurse durchaus möglich.
Mehr Informationen zu Entwicklungen im Edelmetall-Markt erfahren Sie in unserem monatlichen Fokus Edelmetall.
Ihr
Torsten Schlindwein