Gold bewegt sich aktuell im gleichen Rhythmus wie die internationalen Aktien- und Anleihemärkte. Nach einem schrittweisen Rückgang in den letzten Monaten zog der Preis im November aufgrund der zukünftig vermutlich weniger großen Leitzinsanhebungen der US-Notenbank wieder an. Richtig nachhaltig dürfte der Richtungswechsel aber erst durch eine Rezession werden.
Nach der Veröffentlichung des letzten Fokus Edelmetall Anfang September setzte der Goldpreis den seit März bestehenden Abwärtstrend unter Schwankungen zunächst fort. So fiel die Notierung Ende September im Tief auf rund 1.620 US-Dollar je Feinunze, und für diesen Preis wurde das Edelmetall nach einem vorübergehenden Wiederanstieg auch Anfang November gehandelt. Danach folgte jedoch eine zügige Verteuerung um rund 11 % auf zuletzt fast 1.800 US-Dollar. Der Abwärtstrend scheint damit vorerst gebrochen zu sein. Gold kostet in US-Dollar fast ebenso viel wie zu Beginn des Jahres.

In Euro sieht die Entwicklung jedoch vollkommen anders aus. Erstens kostet Gold an der Edelmetallbörse mit knapp 55 Euro je Gramm deutlich mehr als noch am Jahresanfang 2022, als etwa 51 Euro bezahlt wurden. Zweitens waren die Schwankungen zuletzt weniger stark ausgeprägt. Der Anstieg seit Anfang November beträgt nur 3 %. Außerdem ist der Abwärtstrend weiterhin intakt, wie die Grafik oben zeigt.
Der Grund für den unterschiedliche Preisverlauf beziehungsweise für die über mehrere Monate zunehmende Spreizung zwischen dem Euro-Goldpreis (grüne Linie) und dem US-Dollar-Goldpreis (graue Linie) in dem oben abgebildeten Chart ist wieder einmal die Entwicklung des Wechselkurses. Der Euro und auch andere europäische Währungen wie beispielsweise das Britische Pfund oder der Polnische Zloty werteten von Frühjahr bis Ende September gegenüber dem US-Dollar kräftig ab. Der Rückgang des Goldpreises in US-Dollar machte sich deshalb in Europa nur gedämpft bemerkbar. Umgekehrt ging der Anstieg des Goldpreises in den letzten vier Wochen mit einem Wertgewinn der europäischen Währungen gegenüber dem US-Dollar einher. Die Verteuerung von Gold fällt deshalb in Europa nicht so drastisch aus, und die Schere im Chartbild konnte sich wieder ein Stück weit schließen.
Die Entwicklung der Wechselkurse eignet sich allerdings nicht nur, um die geringeren Preisschwankungen aus europäischer Sicht zu erläutern, sondern auch als Erklärung für das Auf und das Ab der international bedeutenderen Notierung von Gold in US-Dollar. Die nachfolgende Grafik zeigt den auffällig starken Zusammenhang zwischen dem Edelmetall und dem Wechselkurs von US-Dollar und Euro seit Jahresanfang 2022, der oftmals auch für andere Rohstoffe wie Erdöl gilt. Der stärkere US-Dollar, der in der nachfolgenden Grafik durch ein Absinken des Wechselkurses des Euro ausgedrückt wird, ging mit einem sinkenden Goldpreis einher und umgekehrt. Eine Ausnahme von dieser groben Daumenregel ist natürlich möglich. Beispielsweise sorgte in den Wochen vor nach dem Kriegsbeginn in der Ukraine die Angst an den Märkten für einen Goldpreisanstieg bei einer gleichzeitigen Aufwertung des US-Dollars.

Die Bedeutung des US-Dollars für die Goldpreisentwicklung sollte jedoch nicht überbewertet werden. Diese Betrachtung kratzt nur an der Oberfläche. Der eigentliche Grund für die Bewegung beider Größen war in den letzten Monaten nämlich die Politik der US-amerikanischen Notenbank. Und hieran wird sich voraussichtlich in der nahen Zukunft nichts ändern. Die hohe Inflation veranlasste das Federal Reserve System seit dem Frühjahr zu kräftigen Leitzinserhöhungen um insgesamt 3,75 Prozentpunkte. Dies machte den US-Dollar gegenüber anderen Währungen mit weniger starken Zinserhöhungen wie beispielsweise dem Euro attraktiv, während gleichzeitig das zinslose Investment Gold an Attraktivität verlor. Vor allem institutionelle Anleger wie Pensionskassen verkauften deshalb das gelbe Edelmetall. Die Goldbestände der physisch besicherten Exchange Traded Funds fielen seit Mitte April um 390 Tonnen. Der zuvor stattgefundene Anstieg der Bestände durch den Krieg in der Ukraine wurde somit wieder vollständig zunichte gemacht. Und die physischen Goldkäufe der Privatanleger, die beispielsweise im Oktober überdurchschnittlich viele Barren kauften, reichten nicht für eine Kompensation aus.
In den letzten Wochen verdichteten sich allerdings die Hinweise für zukünftig weniger rasche Leitzinsanhebungen. Vermutlich wird in den USA Mitte Dezember ein Zinsschritt um nur noch 0,5 Prozentpunkte beschlossen werden. Davor umfassten die Schritte vier Mal hintereinander 0,75 Prozentpunkte. Das voraussichtlich etwas behutsamere Vorgehen hat gute Gründe. Die Inflation hat in den USA voraussichtlich ihren Höhepunkt bereits überschritten, und die Notenbank möchte die Wirkung der bisherigen Zinsanhebungen abwarten. Typischerweise führen diese erst nach einem halben Jahr zu einer Abkühlung der Konjunktur, weshalb die exakte Dosierung sehr schwierig ist. In der Wirtschaftswelt wird dieses Problem mit einer Autofahrt verglichen, bei der ausschließlich in den Rückspiegel geschaut werden kann.
Die nun vor uns liegende Entschleunigung der geldpolitischen Straffung beeinflusste die Börsen in den letzten Wochen entscheidend. An den Aktienbörsen kletterten die Kurse, und auch der Goldpreis stieg wie geschildert an, während der US-Dollar einen Teil seiner Stärke verlor und gegenüber dem Euro und anderen Währungen etwas abwertete. Dass diese Bewegungen nachhaltig sind, ist jedoch nicht sicher. Die US-Notenbank signalisierte schließlich keine Leitzinssenkungen, sondern steigende Zinsen in kleineren Schritten und eine anschließende Beibehaltung des höheren Zinsniveaus. Dies wurde an den weltweiten Kapitalmärkten bislang jedoch weitgehend ignoriert. Außerdem ist der Beginn einer Rezession in den USA und Europa in den kommenden Monaten immer wahrscheinlicher. Hierauf ist gleich mit Blick auf die weißen Edelmetalle näher einzugehen. Für den Goldpreis bedeutet dies jedenfalls, dass die nächsten Monate volatil werden können. Immer dann, wenn neue Konjunktur- und Inflationsdaten zeigen, dass eine Absenkung der Leitzinsen in den USA noch lange nicht in Sicht ist, dürfte Gold belastet werden. Auf der anderen Seite dürften sich die Auswirkungen der konjunkturellen Abkühlung allmählich stärker bemerkbar machen, und eine Rezession wirkt sich tendenziell positiv auf den Goldpreis aus.
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