Zahlreiche Begriffe wie Rapid Prototyping, 3D-Druck, SLS, SLM, DMLS, Laserschmelzen und Additive Manufacturing schwirren durch Designbüros, Entwicklungsabteilungen und Produktionsstätten. Alle basieren auf dem Prinzip der generativen Fertigung von dreidimensionalen Körpern Schicht für Schicht. Waren es anfangs noch Wachsmodelle oder Prototypen aus Kunststoff, werden mittlerweile Bauteile höchster Ansprüche direkt in Metall gefertigt. Dass dies auch mit Edelmetallpulvern möglich ist, zeigen Applikationsbeispiele für die Messtechnik, Medizintechnik und der Uhren- und Schmuckindustrie, wie sie auf einschlägigen Messen wie der Formnext oder EPHJ zu sehen sind. Die Materialbandbreite reicht von technischen Legierungen beispielsweise auf Platinbasis über klassische Schmucklegierungen wie 18karätige Goldlegierungen bis hin zu speziellen Materialentwicklungen mit besonderen Eigenschaften wie PlatinGold® (wir berichteten https://blog.c-hafner.de/platingold-als-platinpulver-fuer-die-additive-fertigung). Über die Vorteile der additiven Fertigung mit Edelmetallpulvern für die Schmuckherstellung und die Möglichkeiten für Designer sprechen wir in einem exklusiven Interview mit der renommierten Künstlerin – Silvia Weidenbach.
Silvia Weidenbach, in Ihren Arbeiten schaffen Sie einen Spagat zwischen den traditionellen Goldschmiedetechniken sowie modernen digitalen Techniken. Wie können wir uns Ihren professionellen Alltag vorstellen?
Angefangen hat alles ganz klassisch in der Silberschmiedelehre mit traditionellen Entwürfen in 2D und Verarbeitung zu dreidimensionalen Gebrauchsgegenständen des Alltags aus Silber wie Teekannen und Schalen. Durch meine Neugierde an neuen Gestaltungsmöglichkeiten fügte ich nach und nach digitale Techniken wie haptische Eingabegeräte für das freie intuitive Modellieren sowie den 3D-Druck mit Wachs, Kunststoff und Keramik hinzu. Heute fasziniert mich die Möglichkeit in der virtuellen Realität (VR) gestalten zu können. Dazu nutze ich zum Beispiel eine VR-Brille, um in meine Objekte einzutauchen und diese auch von innen nach außen zu gestalten – like genie in the bottle!
Worin sehen Sie die Vorteile der Additiven Fertigung in der Schmuckgestaltung?
Als den größten Vorteil empfinde ich die Losgröße 1. Dadurch kann ich einzelne Designs testen, kleine Stückzahlen fertigen oder in die serielle Produktion gehen. Davon können insbesondere kleine Betriebe und Designer von Individualschmuck profitieren!
Durch die Wiederverwendbarkeit des Restpulvers ist der Materialinvest sehr gering und zudem die Technologie erfreulich nachhaltig.
Hinzu kommen noch neue gestalterische Möglichkeiten durch die Anpassungsmöglichkeit in der Oberflächenbeschaffenheit. So entsteht eine ganz ungewohnte und zugleich reizvolle Ästhetik.
Ihr neuestes Projekt sind die „Hyperlink“ cufflinks: Manschettenknöpfe angefertigt aus PlatinGold Edelmetallpulver im zeitlosen und zugleich fortschrittlichen Schmuckdesign. „Hyperlink“ cufflinks sind ein gutes Beispiel für die moderne Schmuckgestaltung mittels additiver Fertigung. Können Sie näher darauf eingehen?
Die Besonderheiten der Additiven Fertigung wie kurze Entwicklungszyklen, Losgröße 1, die außerordentlich hohe Materialeffizienz sowie gestalterische Freiheiten bieten ein hohes Innovationspotenzial. Eine maximale Nutzung dieser Vorteile wollten wir in Kooperation mit C.HAFNER in einem Projekt darstellen. Und so entstanden die Manschettenknöpfe.
Beeindruckend war die im Vergleich zum Feinguss kurze Herstellzeit der rohen Hyperlinks von circa 2 h für 1 Paar individuelle Manschettenknöpfe.
Das Design wurde virtuell mit digitalen Werkzeugen kreiert, die ein höchstes Maß an Gestaltungsfreiheit gewähren. Gegenüber typischen technischen Konstruktionsprogrammen kennen Programme wie beispielsweise Meshmixer keine Grenzen bei Freiformen. Auch funktionale Features lassen sich direkt integrieren wo gewöhnlich Baugruppen erforderlich sind. So ist es auch im Beispiel der Manschettenknöpfe geschehen, die als Einzelteil bereits den Schließenmechanismus beinhalten. Manschettenkopf, Steg, Scharnier und Schließe werden in der finalen Konstellation in einem Schritt gefertigt, so dass ein Zusammenbau des Kopfes mit einer mehrteiligen Furnitur hinfällig wird.
Der Weg vom virtuellen Design zum Schmuckstück ist bei der Additiven Fertigung mit Metallpulvern im Vergleich zum Feinguss relativ kurz. In einer komplett digitalen Prozesskette werden die Daten verarbeitet und letztendlich die Schmuckstücke mittels 3D-Druck direkt in Edelmetall umgesetzt.
Ein eigenes Bild der Hyperlinks in PlatinGold® können Sie sich gerne auf zukünftigen Ausstellungen und bei Silvia Weidenbach machen! Bei der jüngsten Ausstellung im Münchener Kunstpavillon im Rahmen der internationalen Schmuckmesse war dafür durch COVID-19 nur kurz Gelegenheit. Doch ab 12.5.20 sind die Hyperlinks in Silvia Weidenbachs Ausstellung „cool in the pool“ im deutschen Goldschmiedehaus in Hanau wieder zu sehen und wenn sich im September die Türen der EPHJ in Genf öffnen.
Welches Potenzial birgt der 3D-Druck über den Tellerrand geblickt?
Hier sehe ich große Chancen für den Interdisziplinären Dialog, die Kombination von etablierten und innovativen Techniken und die schier grenzenlosen Möglichkeiten in der Kreativität. Dafür ist das Zusammenspiel offener und mutiger Designer, Konstrukteure, Entwickler und Produzenten in einem harmonischen Orchester erforderlich, um neue Ideen zu realisieren. In dieser Synergie steckt ein grenzenloses Potenzial!
Möchten Sie möglichen Anwendern noch ein Anliegen mit auf den Weg geben?
Mir sind Neugier, Kuriosität, Fantasie und ein respektvoller Umgang mit dem kulturellen Erbe wichtig. Darauf aufbauend können wir die Zukunft mit den neuen Möglichkeiten virtuos meistern!
Wir danken Silvia Weidenbach für dieses offene Gespräch und die inspirierende Zusammenarbeit!
Silvia Weidenbach Jewellery:
Silvia Weidenbach ist eine mehrfach ausgezeichnete Künstlerin und führende Vertreterin bei der Verwendung des 3D-Druck in der Schmuckherstellung. Sie verwendet sowohl historische Techniken als auch neue Technologien und verbindet sie zu einzigartigen Stücken, die mit herkömmlichen Techniken nicht realisiert werden konnten. Sie erforscht Form, Komplexität und Farbe, um eine völlig neue Ästhetik für Schmuck im 21. Jahrhundert zu entwickeln.